„Aus Tiefschlägen muss man als Unternehmer lernen“
Stefan Wecker stellt auf der Abschlussfeier des NUK-Businessplan-Wettbewerbs 2004 die Idee vom Team medres vor.
Vor zehn Jahren hat Stefan Wecker mit medres am NUK-Businessplan-Wettbewerb teilgenommen. Anfangs war die Unternehmensgründung für ihn wie ein Höhenflug. Doch spätestens als eine andere Firma eines seiner Produkte kopierte, sah er sich auf dem Boden der Realität. Im Interview erzählt er, wie er sein Unternehmen trotzdem aufgebaut hat und seit über einem Jahr am Markt angekommen ist.
Was macht medres?
Wir kommen aus der Medizin- und Forschungstechnologie – genauer gesagt aus der molekularen Bildgebung. Dort haben wir drei große Themenbereiche: Zelle, Maus und Mensch. Wenn man strukturell eine Pathologie aufklärt – etwa der Frage nachgeht, wie ein Schlaganfall funktioniert – dann fängt man mit Untersuchungen an der Zelle an – und landet irgendwann beim Menschen.
Wie kamen Sie darauf?
Wir haben ursprünglich am Max-Planck-Institut für neurologische Forschung wissenschaftlich gearbeitet. Dort besteht das Bedürfnis, Methoden und Technologien zu entwickeln, die es so nicht zu kaufen gibt. Dort haben wir einen Detektor entwickelt, der ein viel größeres Signal versprochen hat als herkömmliche Produkte, was für die Forschung natürlich gut ist. Der Weg in die Selbstständigkeit begann bei uns mit einem Patent auf diesen Detektor.
Über ihn sind wir schnell bei neuen Fragestellungen gelandet. Ursprünglich hatten wir den Detektor unter anderem für die Forschung mit Mäusescannern entwickelt. Die Probleme begannen schon, wenn man ihn daran befestigen wollte – etwa an einem Trägersystem. Da gab es nichts Vernünftiges. Die Mäuse wurden einfach irgendwie in den Scanner bugsiert. Wenn man die Maus narkotisieren oder ihren Herzschlag überwachen wollte, traten neue Schwierigkeiten auf. Wir haben dann ein Gesamtsystem entwickelt, dass diese Einzelfragen löst. So hat sich das Spin-off entwickelt.
Also sind Sie den Schritt in die Selbstständigkeit gegangen. Hatten Sie schon länger den Wunsch, Unternehmer zu werden?
Den Wunsch, selbstbestimmt zu arbeiten, hatte ich bereits, als ich als Student an das Institut kam. Anfangs hatte ich auch das Gefühl, dass ich mir die Selbstbestimmtheit leisten kann. Im Laufe der Zeit wurde das immer stärker beschnitten und der Wunsch nach mehr Freiheiten dadurch spürbarer. Als die Möglichkeit auf das Patent aufschimmerte, konnte ich für das Institut Forschungsgelder bekommen – eine sechsstellige Summe. Für einen Doktoranden ist das sehr viel Geld. Ich habe ein Jahr lang die Freiheit gespürt – eigene Mittel, eigene Entscheidungen. Nach dieser Zeit war mir klar, dass ich nicht wieder zurück in die alten Strukturen, sondern es unabhängig probieren wollte. Dem Institut war es aber wichtig, das Know-how im Hause zu behalten. Also haben wir da einen Raum bekommen und Miete gezahlt.
Der sanfte Übergang hat mir die Chance gegeben, beim NUK-Businessplan-Wettbewerb mitzumachen.
Sie sind zwar inzwischen in ein komplett eigenes Gebäude gezogen – aber immer noch in der Nähe des Instituts. Hat sich die Zusammenarbeit bewährt?
Das ist eine Symbiose, von der beide Seiten profitieren. Alles, was wir hier als Prototyp entwickeln, stellen wir den Laboren zur Verfügung. Die können damit als erstes forschen – wir bekommen ein direktes Feedback. Als wir zum Beispiel einen Monitor entwickelt haben, der dem Magnetfeld im MRT standhält, hat uns der Direktor des Institutes darauf aufmerksam gemacht, dass man den in der Humanforschung unglaublich gut gebrauchen kann. Wir wollten damit eigentlich nur ein anderes Instrument entwickeln – heute verkaufen wir das Gerät.
Welche Erfahrung haben Sie 2004 bei NUK gesammelt?
Ich habe sehr viel gelernt. Das Betriebswirtschaftliche war für mich völlig neu. Insofern hab ich das Angebot der Gutachter und auch der Coachingabende intensiv genutzt. Manchmal ging es einfach nur darum, unsere Geschäftsidee zum 20. Mal zu erzählen. Wenn man aus der Physik kommt, fällt es einem oft erst einmal schwer, das Fachvokabular wegzulassen und die Geschichte auf den Punkt zu bringen. Das ist mit jedem Gespräch besser geworden. Vieles von dem, was man mir im Wettbewerb vermittelt hat, habe ich dann aber gar nicht umgesetzt. Das wollte ich gar nicht hören – obwohl viel Wahres dabei war.
Zum Beispiel?
Zum Teil ganz triviale Dinge. Etwa, dass ein Businessplan nichts Statisches ist. Man muss ihn konsequent pflegen. So kann man regelmäßig eine Richtungsbestimmung machen. Außerdem haben wir uns dagegen entschieden, uns Kapital am Markt zu holen. Hier bin ich mir nicht sicher, ob das eine gute oder schlechte Entscheidung war. Sonst wäre sicherlich alles anders verlaufen.
Wie konnte sich medres denn finanzieren, bevor das Unternehmen Produkte verkauft hat?
Alles, was nicht über Drittmittel kam, haben wir privat reingesteckt. Dadurch hat vieles natürlich sehr viel länger gedauert. Wir hatten keinen Druck durch externe Financiers. Vor eineinhalb Jahren waren wir das erste Mal auf einer Messe und haben unser Produkt angeboten.
War es gut, dass Sie sich bis dahin so viel Zeit genommen haben?
Für mich war das genau richtig. Auch wenn damit natürlich ein größeres kommerzielles Risiko verbunden war: Man baut zwar sein Know-how aus, verdient aber kein Geld damit. Ich glaube aber, dass ein gutes Produkt Zeit braucht. Man kann das vielleicht mit Slow-Food und Fast-Food vergleichen. Als wir unser Produkt dann endlich beim Kunden ausliefern konnten, haben wir gemerkt, dass wir tatsächlich all seine Fragen beantworten konnten. Das war auch der langen Entwicklungszeit geschuldet.
Gab es auch Hürden auf dem Weg ins Unternehmertum?
Am Anfang hat es sich tatsächlich wie ein Höhenflug angefühlt – ich war sehr optimistisch. Aber die Realität war dann doch etwas komplexer. Ein Beispiel ist dafür der Monitor, von dem ich erzählt habe. Die Firma, die ihn für uns verkaufen wollte, hat plötzlich eine eigene Entwicklung auf den Markt gebracht. Die durften bei uns viel zu tief in die Karten schauen und sind vertragsbrüchig geworden. Wir hatten zwar einen juristisch einwandfreien Vertrag, aber ich konnte nicht klagen, weil ich das Geld für den Prozess nicht hatte. So musste ich zuschauen, wie eine Firma nach zweieinhalbjähriger Kooperation unser Produkt kopiert. Ohne Drittmittel wäre das der Ruin der Firma gewesen. So war es einfach ein Gewinnausfall und wir konnten weitermachen.
Wie geht man mit so etwas um?
Psychologisch war das natürlich ein Tiefschlag. Aber man lernt auch daraus. Wenn ich nicht bereit bin, so etwas zu akzeptieren, sollte ich gar nicht erst Unternehmer werden. Ein ähnliches Szenario hab ich auch mit dem Patent erlebt. Der Schutz, den man als kleine Firma daraus generiert, ist verschwindend gering. Große Firmen sind problemlos in der Lage, es zu ignorieren und es auf ein Verfahren ankommen zu lassen. Mein Risiko, dabei alles zu verlieren, ist gigantisch. Wichtiger als ein Patent ist das Generieren von Know-how und das Bemühen, immer einen Schritt besser und weiter zu sein. Es wird immer Leute gebe, die gute Ideen kopieren.
Herr Wecker, wir danke für das Gespräch.