„Baut keine Luftschlösser“
Als Reik Winkel die indurad GmbH gegründet hat, hat noch niemand über Digitalisierung und Assistenzsysteme geredet. Da sein Unternehmen sich früh in der Rohstoffindustrie aufgestellt hat, konnte es gut von der Trendwende profitieren. Jetzt feiert das Unternehmen zehnjähriges Jubiläum.
Was macht die indurad GmbH?
Wir unterstützen die Rohstoffindustrie darin, dass ihre Maschinen effizienter laufen und die Produktionsraten zunehmen. Wenn Eisenerz, Kohle oder Salz gewonnen oder umgeladen wird, sind wir dabei – vom Abbau der Rohstoffe in den Minen über deren Verladung auf Züge und Schiffe bis zur Entladung im Werk. Das ganze findet oft unter schwierigen Arbeitsbedingungen statt – von Schnee und niedrigen Temperaturen in Kanada bis hin zu Hitze und viel Staub in Chile. Aber dank unserer radarbasierten Sensorlösung können beispielsweise Container präziser beladen werden. Züge werden nicht überladen, gleichzeitig wird aber die Kapazität der Container voll ausgenutzt. Bis heute ist unsere Lösung deutlich genauer als jede Alternative auf dem Weltmarkt.
Wie sind Sie darauf gekommen?
Ich habe in Aachen Bergbau studiert und während meines Studiums über zehn Praktika weltweit gemacht – Öl in Norwegen, Kupfer in Chile, Zement- und Braunkohlebergwerke in Deutschland. Überall habe ich gesehen, dass Leute an Maschinen sitzen, die mit bloßem Auge Abstände abschätzen müssen. In unseren Autos haben wir Einparkhilfen, aber in millionenteuren Bergbaumaschinen gab es kein vergleichbares Assistenzsystem. In meiner Promotion habe ich mich deshalb mit der Verbesserung der Mensch-Maschine-Schnittstelle innerhalb der Sensortechnik beschäftigt und auch einen Piloten entwickelt. Als ich mit meiner Arbeit durch war, hatten viele Kunden Interesse an dem Produkt. Da habe ich eine gute Möglichkeit gesehen, mich selbstständig zu machen.
Was waren Ihre größten Herausforderungen und wie sind Sie damit umgegangen?
Wachstum ist für ein Unternehmen natürlich gut – aber es stellt einen Gründer auch vor neue Herausforderungen. Für mich war es die Einführung eines Organigrams. Meine Mitarbeiter waren flache Hierarchien gewohnt – gleichzeitig haben sie aber auch nach klar definierten Zuständigkeiten verlangt. Ich glaube, dass die Arbeit ohne Hierarchie nur mit maximal 20 Mitarbeitern funktioniert. Danach braucht es eine mittlere Führungsebene. Hat man die etabliert, muss man schnell weiter wachsen, sonst produzieren diese vor allem Kosten. Das überlebt das Unternehmen nicht über eine längere Zeit. Stellen sollte man sich solchen Herausforderungen mit dem gesunden Menschenverstand. Außerdem gilt: Jede Entscheidung ist besser als keine Entscheidung und Aussitzen. Und auch aus schlechten Entscheidungen kann man lernen.
Vor Ihrer Gründung haben Sie das Angebot von NUK genutzt. Wie hat Ihnen das geholfen?
Die Unterstützung war erheblich. Das NUK-Handbuch hat mir beispielsweise geholfen, mich mit Fragen zu beschäftigen, die früher oder später auf einen Unternehmer zu kommen: Gibt es preisempfindliche Kunden, woher bekomme ich Mitarbeiter usw. Meinen Businessplan habe ich mit teilweise sehr naiven Annahmen geschrieben, trotzdem habe ich darin die Entwicklung des Unternehmens so skizziert, wie ich sie dann auch realisiert habe. Am wichtigsten war aber der Schreib- und Entwicklungsprozess. Der hat mich auf ein Leben als Unternehmer vorbereitet.
Zehn erfolgreiche Jahre müssen gefeiert werden. Das hat indurad in der Digital Church in Aachen getan!
Sie feiern jetzt zehnjähriges Jubiläum mit indurad. Fühlt sich Ihr Unternehmen inzwischen gefestigt an?
Absolut. Vor fünf Jahren haben wir sicherlich verstanden, wie der Hase läuft. Aber damals waren wir noch ein Startup. Viele Vorgänge waren eher ad hoc organisiert ohne Prozess. Heute sind wir ein etabliertes Unternehmen, beschäftigen allein über 50 Softwareentwickler in Aachen, haben weltweit sechs Standorte und sind ständig auf der Suche nach neuen Mitarbeitern, die von Linux und C++ begeistert sind.
Was ist Ihr Ratschlag für die neuen Gründergenerationen?
Baut keine Luftschlösser, sondern verlasst möglichst schnell das Labor und stellt Euch der Realität. Außerdem rate ich, möglichst schnell den Kundendialog zu suchen. Und das nicht nur auf der Chefetage – geht zu den Leuten, die am Ende anwenden, was Ihr entwickelt. Nur dann wisst Ihr, mit welchen Problemen die tagtäglich umgehen, die Ihr lösen könnt.