24. Juni 2015

„Als ich genügsam wurde, war es Zeit, etwas zu ändern“

2004 haben André Richter und Patrick Merhi ein Unternehmen gegründet, das auf Dienstleistungen im Internet basierte. Wenige Jahre nach der geplatzten Dotcom-Blase war niemand bereit, ihnen dafür einen Kredit zu geben. Das sei ihr Glück gewesen, glauben die beiden erfolgreichen Unternehmer heute. 

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Patrick Merhi und André Richter haben gemeinsam netTraders gegründet.

Was macht netTraders? 

Wir entwickeln Webportale. Begonnen hat alles 2004 mit der „Meldebox“. Darauf konnten sich Menschen, die umgezogen sind, online ummelden. Daraus ist mit der Zeit ein Umzugsportal entstanden. Auf unserer Webseite gibt es Checklisten, man kann Speditionen günstig buchen oder einen neuen Stromvertrag abschließen. Das ist bis heute eines unserer wichtigsten Standbeine. Ein anderes ist unser Kennzeichengeschäft. Das hat sich aus der Meldebox entwickelt.

Ihr habt nicht nur den Kundenservice dafür bei euch im Haus, sondern prägt die Kennzeichen selbst. So ein umfassendes Angebot ist ungewöhnlich für ein Internetunternehmen. Warum habt ihr euch dafür entschieden?

Am Anfang hatten wir einzelne Arbeitsprozesse ausgelagert. Aber wir haben gemerkt, dass es für unser Geschäft sinnvoll ist, alles in einer Hand zu haben. Wir sind unabhängig von Dienstleistern, mit denen wir früher einige Male auf die Nase gefallen sind. Heute können wir auch einfacher auf Kundenwünsche reagieren. Natürlich ist das auch eine Herausforderung. Wir mussten uns das Wissen aneignen, was man für eine Prägestelle braucht. Außerdem haben wir Personal eingestellt, das mit unserem eigentlichen Geschäft und Background wenig anfangen kann. Aber genau das macht es interessant. So kommen andere Leute ins Unternehmen und man kann sich gegenseitig inspirieren.

Wie seid ihr auf eure Geschäftsidee gekommen?

Begonnen hat alles beim Hochschulsport – da haben wir uns kennengelernt. Wir wussten früh, dass wir gerne ein eigenes Unternehmen hätten, aber uns fehlte anfangs die zündende Idee. André hat Mitte der 90er in San Francisco studiert und hat dort die Verbreitung des Internets miterlebt. Patrick hat nach seinem Maschinenbaustudium Lernportale entwickelt. Wir haben uns beide früh fürs Internet begeistert – das war unsere Schnittstelle. Trotzdem haben wir nach dem Studium erstmal für Unternehmen gearbeitet. Bei der Deutschen Post hat André als Projektmanager ein Umzugsportal mitentwickelt und viel Herzblut reingesteckt. Aus betriebsinternen Gründen wurde das eingestellt. Dann kam er auf die Idee, so etwas privat hochzuziehen.

UnternehmennetTraders
Wettbewerbsteilnahme 2003/ 04
Gründungsjahr 2004
UnternehmenssitzBonn
Mitarbeiterzahl18

Ihr habt 2004 euer Internetportal gegründet – also nur wenige Jahre nach der geplatzten Dotcom-Blase. Hat euch das eingeschüchtert? 

Gar nicht. Dazu kam es, weil Menschen ziemlich viel Geld in Ideen gesteckt haben, die nicht realisierbar waren. Unser Ziel war aber nie, mit unserem Unternehmen schnell an die Börse zu gehen. Wir wollten immer organisch wachsen – finanziert aus unseren Gewinnen. Das war etwas ganz anderes. Probleme gab es aber bei der Finanzierung. Wir haben versucht einen Kredit zu bekommen, sind aber überall abgeblitzt. Alle fanden unsere Idee gut – aber „Dienstleistung und Internet“ hat zu der Zeit abgeschreckt. Im Endeffekt war das aber ein Glücksfall. Wir sind vielleicht langsamer gewachsen, hatten aber nie Schulden.

Wie habt ihr euch stattdessen finanziert? 

Wir hatten eigene Ersparnisse, Freunde und Familie haben uns unterstützt – und wir haben den Gründerzuschuss vom Arbeitsamt erhalten. Außerdem haben wir beim Gründerwettbewerb Multimedia des Bundeswirtschaftsministeriums den Hauptpreis und 25.000 Euro gewonnen. Zu der Zeit hatten wir zudem geringe Fixkosten – wir haben zusammen in einer WG gewohnt, die auch gleichzeitig unser Arbeitsplatz war. Weil es aber einige Zeit dauert, so ein Portal aufzubauen, haben wir parallel zur Gründung auch als IT-Dienstleister gearbeitet. Das haben wir eingestellt, als wir von unseren eigenen Projekten leben konnten. Seitdem wir uns fokussiert haben, haben wir nochmal einen richtigen Schub bekommen.

Gab es neben der Finanzierung noch mehr Herausforderungen, denen ihr euch stellen musstet? 

Ganz am Anfang hatten wir das Problem, dass unser ursprüngliches Geschäftsmodell für die Meldebox nicht funktioniert hat. Die Zeit verging und wir hatten das Gefühl, nicht richtig vom Fleck zu kommen. Wir haben dann das Nutzerverhalten auf unserer Seite genau analysiert und unser Angebot entsprechend angepasst – dann hat es funktioniert.

Mit der Meldebox ist netTraders 2004 gestartet-

Mit der Meldebox ist netTraders 2004 gestartet-

Dann gab es eine Zeit, in der es zwischen uns beiden hakte ohne, dass wir sagen konnten, was los war. Mithilfe eines Coaches haben wir herausgefunden, dass wir mit dem Unternehmen in unterschiedliche Richtungen wollten. Patrick wollte wachsen, mehr Mitarbeiter. André wollte lieber klein bleiben, um möglichst unabhängig und flexibel zu sein. Dank des Coaches haben wir gesehen, dass es auch einen gemeinsamen Weg gibt und sind wieder zu einer Einheit geworden. Unser Unternehmen ist gewachsen – und gleichzeitig haben wir mehr Freiheiten gewonnen.

Wachstum hieß auch, dass ihr in kurzer Zeit viele Mitarbeiter eingestellt habt. Wie seid ihr mit eurer neuen Chefrolle umgegangen? 

Die beiden Gründer mit ihren Mitarbeitern – um das Team zu stärken, wird einmal im Monat nach Feierabend gemeinsam gekocht.

Die beiden Gründer mit ihren Mitarbeitern – um das Team zu stärken, wird einmal im Monat nach Feierabend gemeinsam gekocht.

Das war auf jeden Fall auch eine Herausforderung – aber eine schöne. Bis dahin hatten wir uns mit Führungsthemen kaum befasst und mussten viel lernen; beispielsweise Vertrauen in unsere Mitarbeiter zu haben und darin, dass sie ihre Aufgaben gut machen. Inzwischen merken wir die Entwicklung – sowohl bei uns als auch bei den Mitarbeitern.

Ihr habt erzählt, dass ihr früh das Ziel hattet, euch selbstständig zu machen. Warum? 

André: In einem bestehenden Unternehmen mahlen die Mühlen langsamer. Das Rad, an dem man dreht ist zwar größer, aber man selbst ist eben nur ein kleines Rad. Das passte nicht wirklich zu mir. Ich hatte immer viele Ideen und wollte Sachen umsetzen. Das ging in der Festanstellung nicht – obwohl ich viel Eigenverantwortung hatte. Als ich dann gemerkt habe, dass ich genügsamer wurde, wusste ich, dass es Zeit wird, etwas zu ändern.

Patrick: Ich hab Maschinenbau studiert und habe gemerkt, dass meine Kreativität leidet, wenn ich mich einstellen lasse. Außerdem haben mich die Anfänge des Internets fasziniert – da gab es noch nichts und man konnte sich austoben. Das war viel besser, als sich an Projekte zu setzen, die keinen Spaß machten. Danach entscheiden wir auch heute noch. Wir haben mit netTraders Angebote abgelehnt, die zwar viel Geld gebracht, aber keinen Spaß gemacht hätten.

Ihr habt 2004 am NUK-Businessplan-Wettbewerb teilgenommen. Wie habt ihr von der Gründerinitiative profitiert?

Wir hatten damals keine Erfahrung und wollten prüfen, ob unsere Idee handfest ist. Darum sind wir zu NUK gekommen. Wir haben gutes Feedback bekommen – aber auch kritische Anmerkungen, die uns weitergeholfen haben. Als wir dann noch einen Preis gewonnen haben, hat uns das Sicherheit gegeben.

Im Herbst startet das neue NUK-Jahr. Was könnt ihr den Gründerinnen und Gründern mit auf den Weg geben? 

Man sollte immer den Kunden in den Mittelpunkt stellen. Das gilt schon für die Ideen- und Produktentwicklung. Dazu gehört, dass man nicht im stillen Kämmerlein sitzt und sich denkt: „Das ist toll, das muss jeder nutzen.“ Man muss von Anfang an mit dem Kunden sprechen.

Außerdem lohnt es sich, einen Coach zu holen, der einen immer wieder auf die richtige Bahn lenkt. Der einen auch mal von der Wolke runterholt oder einfach sagt: „Macht eine Pause und seid stolz auf das, was ihr schon erreicht habt.“

Zuletzt sollte man sich auch nicht von Bedenkenträgern abschrecken lassen. Viele sagen, dass Gründen ein hoher bürokratischer Aufwand sei – das stimmt nicht.


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