„Gründer brauchen kindliche Neugierde und Ehrgeiz“
Eigentlich wollte sich Mo Shams mit seiner Geschäftsidee – einem Kaffeefahrrad – sein Auslandssemester finanzieren. Doch dann liefen die Geschäfte so gut, dass er in Deutschland blieb und sein kleines Unternehmen immer weiter ausbaute. Im Interview spricht er über Höhen und Tiefen des Unternehmerlebens und über die Seidenstraße, die schon lange vor der Digitalisierung große Distanzen überwunden hat.
Was macht Shams Coffee?
Wir bieten deutschlandweit in Bürogebäuden und auf Events eine Kaffeebar an. Wir arbeiten viel im Eventgeschäft, von Street Festivals bis High Class Veranstaltungen. Inzwischen haben wir acht Kaffeebars, von denen sechs einen festen Standort haben, mit zwei weiteren sind wir unterwegs.
Wie bist du auf die Idee gekommen?
Während meines Studiums hat die Cafeteria der Uni zugemacht. Nicht nur der Kaffee hat gefehlt, sondern auch ein Ort, an dem man sich treffen kann. Das wollte ich ändern und hab ein Kaffeefahrrad aus Berlin geholt. Als es kalt und regnerisch wurde, hab ich in einer Garage der Universität eine eigene Bar entwickelt, die durch jede Tür und jeden Fahrstuhl passt. Das Geschäft lief schnell erfolgreich. Erst hab ich eine Examensparty gesponsert, dann wurde ich von einem Caterer für Günther Jauch gebucht. Irgendwann wurde ich vom Vorstand der KPMG angesprochen, wo ich beinahe von jetzt auf gleich arbeiten sollte. Das war vor ziemlich genau zwei Jahren. Mein ursprüngliches Ziel, mir mein Auslandssemester mit dem Projekt zu finanzieren, ist nicht aufgegangen – alles lief so erfolgreich, dass ich keine Zeit mehr dafür hatte.
Wie haben deine Kommilitonen darauf reagiert, dass du plötzlich ein Kaffeegeschäft an der Uni hattest?
Am Anfang habe ich oft gehört, dass das eine bekloppte Idee ist, bei meiner guten Ausbildung mit einem Kaffeefahrrad unterwegs zu sein. Irgendwann ist das gekippt. Da meinten plötzlich alle, genau die Idee hätten sie auch gehabt.
Wie hast du die Gründung finanziert?
Das Kaffeefahrrad, das ich gekauft habe, hat nur 1000 Euro gekostet. Die Investition war also gering und ich konnte das aus eigenen Mitteln finanzieren. Anschließend habe ich das Geld immer wieder thesauriert. So hatte ich die Möglichkeit, das Unternehmen auszubauen. Ich selbst hab einfach mein studentisches Leben weitergeführt und brauchte nicht viel. In der Gastronomie ist es auch nicht so einfach, an Fremdkapital zu kommen – zumal ich keine Sicherheiten hatte. Außerdem interessiert mich vor allem Unternehmerkapital, um mich zu finanzieren – ich möchte, dass jemand investiert, der das Unternehmen auch mit seinem Know-how weiterbringt.
Wie war es für dich, plötzlich Geschäftsmann als Student zu sein?
In der Zeit gab es viele Höhen und Tiefen. Ich hatte einen Geschäftspartner, der mich finanziell abgezogen hat. Außerdem sind meine Freunde und meine Familie zu kurz gekommen. Aber ich liebe, was ich tue, bin froh, dass ich mit Menschen zu tun habe und etwas produziere. Im Studium hatte ich den Schwerpunkt Investmentbanking. Ich kann mir heute nicht mehr vorstellen, vier Milliarden Euro durch die Gegend zu schieben und Unternehmensanteile innerhalb des Bruchteils einer Sekunde zu kaufen oder verkaufen. Das hat nichts mit nachhaltigem Unternehmertum zu tun.
Wie steht man die Tiefen durch?
Als mein Partner 60.000 Euro entwendet hat, hatte ich sogar kurzzeitig Selbstmordgedanken. Erst lief alles super erfolgreich und plötzlich hatte ich Schulden. Ich hab aber fest an mich geglaubt und weitergemacht. Wichtig ist, einen klaren Kopf zu behalten und die richtigen Entscheidungen zu treffen. Inzwischen habe ich schon oft gehört: „Sei froh, dass dir das nicht mit einer Million passiert ist.“ Wenn man sich in der Start-up-Szene umguckt sieht man, dass fast jeder an irgendeinem Punkt richtige Tiefschläge erlebt.
Hat dir dein Studium auf dem Weg zum eigenen Unternehmen helfen können?
Ich habe meinen Bachelor mit dem Schwerpunkt Entrepreneurship gemacht. In den Seminaren habe ich viel gelernt – von der Rhetorik bis zur Telefonakquise. Wichtig war für mich das Thema Führungsqualität. Dazu habe ich viele Kurse besucht. Aber das ist etwas, was man nicht nur lernen kann, das muss man auch erfahren und erspüren. Hier sind Praktika sicherlich sinnvoll, zum Beispiel in einem Start-up, das die unternehmerische Kultur fördert.
Grundsätzlich bin ich aber davon überzeugt, dass man ein gewisses Unternehmergen braucht, eine gewisse Risikoaffinität. Und man muss ein Gefühl für eine Marktlücke haben.
Wann hast du zum ersten Mal mit dem Gedanken gespielt, Unternehmer zu werden?
Für mich stand immer fest, dass ich etwas Eigenes haben werde. Ich wollte keine Stellschraube in einem Unternehmen sein. Allerdings hat mich die Dynamik, mit der sich die Dinge entwickelt haben, überrascht. Das kann man sicher besser planen. Aber mir macht es Spaß, wenn ich Probleme lösen kann. Gerade in Stresssituationen handle ich besonders bedacht. Allerdings hatte ich nicht immer das Selbstbewusstsein, das ich heute habe. Ich wusste zwar, dass die Idee gut ist – aber ich habe gefürchtet, dass ich zu jung war und auch mein Migrationshintergrund manche stören könnte.
Haben sich deine Vorstellungen vom Unternehmertum erfüllt?
Definitiv. Für mich ist das die Erfüllung. Mir ist es auch wichtig, unternehmerisch zu wirken. Sachen wie Geld bedeuten mir dagegen nicht viel – ich hab kein Bedürfnis nach Statussymbolen.
Worin siehst du die größte Herausforderung in deiner Arbeit?
Das ist für mich die Führung des Personals. Andere für meine Idee zu gewinnen, ist eine echte Herausforderung. Ich hab deutschlandweit inzwischen fast 50 Mitarbeiter – da geht es um viel mehr, als einfach nur Anleitungsschreiben zu verschicken. Manchmal bin ich auch frustriert von Mitarbeitern und frage mich, wie ich das besser machen kann.
Was hilft dir dann?
Wichtig ist eine offene Einstellung allen Menschen gegenüber. Als Gründer muss man viel durchsetzen und gleichzeitig bereit sein, sich auch eigene Fehler einzugestehen. Mentoren, die mich auf meinem Weg als Unternehmer begleiten, sind sehr wichtig.
Was sind deine nächsten unternehmerischen Ziele?
Ich bin gerade in der nächsten Finanzierungsrunde. Ziel ist jetzt erstmal weiteres Wachstum. Ich sehe da keine Grenzen.
Hast du unternehmerische Vorbilder?
Mein Großvater. Er war großer Teehändler im Iran. Ich bin einen Monat mit ihm jeden Tag auf den Basar in Teheran gegangen. Allerdings nicht auf den großen, den jeder von Fotos kennt. Über kleine Gassen kommt man auf einen anderen Basar, den man als Tourist gar nicht sieht. Dort findet man die Großkaufleute. Da macht man Geschäfte ganz anders. Zwei Stunden spricht man über Freunde und Familie und in fünf Minuten wird dann ein Deal über eine halbe Million gemacht – ohne zu verhandeln, weil man sich vertraut. Ich habe dort auch gelernt, dass Distanzen in Europa alles andere als groß sind. Die Seidenstraße hat schon früh große Entfernungen überwunden. Für meinen Großvater war es normal, Tee aus Sri Lanka nach Amsterdam zu verkaufen. Globalisierung hat hier schon viel früher stattgefunden – auch ohne WhatsApp & Co. Nachdem diesem Monat im Iran habe ich mich entschlossen, BWL zu studieren.
Was kannst du jungen Gründern mit auf den Weg geben?
Als Gründer muss man eine kindliche Neugierde mitbringen und Dinge einfach ausprobieren. Außerdem muss man ehrgeizig sein, eine Sache verfolgen, auch wenn alle sagen, dass es so nicht läuft.