20. Januar 2010

Keine Chefattitüden, aber Obstkörbe – Forum zu „Fach- & Führungskräfte akquirieren und halten“

In Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsförderung Bonn veranstaltete NUK Neues Unternehmertum Rheinland e.V. am 19. Januar 2010 das zweite Forum „Innovation“. Vier Vorträge zu „Fach- und Führungskräfte akquirieren und halten“ standen an diesem Dienstag im Bonner Forschungszentrum caesar auf der Agenda.

 

Den Höhepunkt des Abends lieferte Rainer von zur Mühlen, der sich mit seinen aus dem Unternehmerleben gegriffenen Ausführungen dem zentralen Thema aus der Praktikerperspektive näherte. Begegnungen mit dem DDR-Spionagechef Markus Wolf, Doppelagenten und Lauschangriffe in Bonn? Als Berater, der sich schon seit Anfang der 70er mit Fragen der Computerkriminalität beschäftigt und Marktführer für die Planung hochverfügbarer Rechenzentren wurde beinahe Alltag für von zur Mühlen, wie er höchst unterhaltsam zu erzählen wusste. Zu den Kunden der Bonner von zur Mühlen Gruppe VZM gehören u.a. Fluggesellschaften und Versicherungsunternehmen – Sicherheitsberatung, -planung und -schulung sind ihre Spezialgebiete. Die Beschäftigung mit hochsensiblen Daten macht die Mitarbeitersuche für von zur Mühlen von jeher zu einem besonders aufwendigen Prozess: Initiativbewerber haben per se keine Chance, Ausschreibungen erfolgen nur verdeckt z.B. über Tochterfirmen. „Lieber gar nicht als den Falschen einstellen!“ lautet das Credo.

Aber wer nach gezielter Ansprache und längerer Beobachtung den hohen Qualitätskriterien entspricht, findet in Rainer von zur Mühlen einen Vorgesetzten mit ehernen und höchst ehrbaren Führungsgrundsätzen: Er glaubt daran, dass Chefattitüden Vertrauen zerstören. Außerdem müsse man delegieren können, eine Politik der offenen Tür betreiben und sich auch für private Belange der Mitarbeiter interessieren und im Notfall kümmern. Miteinander lachen können gehöre ebenso dazu wie die Wahrung von Rechten und Pflichten: „Meine Leute haben das Recht auf Irrtum, aber auch die Pflicht Fehler offensiv einzugestehen – und auch den Chef müssen sie auf seine Fehler hinweisen!“ In Sachen Innovationsfähigkeit hatte von zur Mühlen ebenfalls einen Tipp: „Arbeiten mit Checklisten macht dumm!“ Kreativität könne man sich nur bewahren, wenn man über Transferleistungen auf neue Ideen komme – dafür verfügten seine knapp 30 Mitarbeiter schließlich über einen IQ von je meist über 140…

„Wir werden älter, wir werden weniger, wir werden bunter.“ So hatte zuvor Prof. Dr. Frank Wallau den demografischen Wandel auf den Punkt gebracht. Dessen Auswirkungen illustrierte der stellvertretende Geschäftsführer des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn in seinem Vortrag „Kurz- und mittelfristige absatz- und personalpolitische Herausforderungen für den Mittelstand“. Knapp 80 Prozent der deutschen Mittelständler hätten in den  Jahren 2007 und 2008 bereits „händeringend“ nach Fachkräften mit Berufsausbildung gesucht. Auch bei der Besetzung von freien Stellen für Akademiker hätten rund 50 Prozent Probleme gemeldet. Deshalb hätten sie in der Krise trotz teils erheblicher Umsatzrückgänge auch alles getan, um ihre Fach- und Führungskräfte zu halten. „In fünf bis zehn Jahren werden wir uns um die guten Auszubildenden prügeln“, so Wallaus Prognose. Dennoch würden von gut 20 Prozent der KMU die Folgen für Fortbildung und Krankenstand angesichts alternder Belegschaften möglicherweise unterschätzt, mahnte Wallau in seinem Fazit an. Immerhin reagierten aber 43 Prozent der Unternehmen auf die Bevölkerungsentwicklungen mit neuer oder veränderter Absatzstrategie: „Es gibt z.B. Produzenten, die haben von Kinder- auf Seniorenbetten umgestellt.“

Die qualitative Dimension dieses Themas erfasste anschließend Dr. Hilmar Schneider, Direktor Arbeitsmarktpolitik des Bonner Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit GmbH (IZA): „Demografische Herausforderungen und Vereinbarkeit von Frau und Beruf in KMU“ lautete sein Schwerpunkt. „Innovationen brauchen Ideen, Ideen entstehen in Köpfen. Was machen wir, wenn uns diese Köpfe abhanden kommen?“ Kurzfristig drohe zwar kein Mangel, aber bis zum Jahr 2020 steige der Anteil der über 50-Jährigen unter den Fach- und Führungskräften von heute 1:3 auf dann 1:2. Als Strategien zur Bewältigung der demografischen Verwerfungen empfahl Schneider deshalb, ältere Fach- und Führungskräfte länger im Unternehmen zu halten, das Nachwuchspotenzial besser auszuschöpfen, mehr ausländische Mitarbeiter zu beschäftigen und generell den Frauenanteil unter den Fach- und Führungskräften zu erhöhen. In diesem Zusammenhang wies Schneider auf die Bedeutung von Kinderbetreuungsmöglichkeiten hin: „Da sind die Mittelständler im Vergleich zu großen Unternehmen natürlich strukturell benachteiligt. Als Lösungsmöglichkeit sehe ich die Schaffung von entsprechenden Kapazitäten im Firmenverbund.“

Wie kommt man als Unternehmer nun an hochqualifizierte Mitarbeiter? „Fach- und Führungskräfte suchen, finden und binden“ – damit beschäftigte sich im Anschluss Carmen Rollenhagen, Randstad Deutschland. Als Expertin mit zehn Jahren Erfahrung bei der Abwicklung von Projekten im Bereich Personalberatung und -vermittlung rät die Nürnbergerin zur Nutzung möglichst vieler Rekrutierungstools, wie z.B. Online-Auswahlverfahren, Leistungstests, Stellenbörsen in Netzwerken wie XING. Will ein Arbeitgeber als solcher eine eigene Marke mit entsprechender Anziehungskraft für High Potentials sein, sollte er gelungene Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung auch offensiv kommunizieren. „Besonders wichtig finde ich hier regelmäßige Personalentwicklungsgespräche. Die kann man mit wenig Aufwand durchführen – leider wird das nicht oft genug gemacht“, erläuterte Rollenhagen. Zur Vertiefung der emotionalen Identifikation eines Mitarbeiters mit dem Unternehmen gehöre z.B. auch ein positives Arbeitsklima, die Entwicklung von Werten, die Förderung von Teamgeist etwa durch die gemeinsame Teilnahme an Sportveranstaltungen und eine ausgewogene Work-Life-Relation. Oder auch mal ein Obstkorb vom Chef.

Die Begrüßung der rund hundert Gäste hatten eingangs Dr. Jürgen Reifarth von der Stiftung caesar im Namen des Hausherrn und Victoria Appelbe übernommen. Die Leiterin der Bonner Wirtschaftsförderung wies dabei auf die Initiative BonnProfits hin, für die ihr Amt die Sparkasse KoelnBonn als Projektpartner gewinnen konnte.

BonnProfits will Existenzgründer aus den wissensintensiven Dienstleistungen gezielt informieren, motivieren und beraten. Die zukunftsträchtigen Wissensmärkte können durch sogenannte KIBS (Knowledge Intensive Business Services) u.a. aus der Wissenschaft, aus Online- und Multimedialösungen, der Gesundheitswirtschaft, der Kreativbranche oder dem Tourismuswesen bedient werden. Besonderen Fokus legt die Initiative auf die Förderung von Gründerinnen, wie einem soeben erschienenen Faltblatt zu entnehmen ist.

Die NUK-Foren zielen einerseits auf Inspiration und Wissensvermittlung ab, andererseits sind sie neben den Auftakt-, Prämierungs- und Alumni-Club-Veranstaltungen weitere Networking-Plattformen im Angebot unseres Verbandes – beim Bonner Forum „Innovation“ versammelte man sich deshalb nach dem Programmteil zu angeregten Gesprächen um ein reichhaltiges Fischbüfett.
Die großen Netzwerktreffen von NUK Neues Unternehmertum Rheinland e.V. haben jeweils unterschiedliche Schwerpunkte: Für das aktuelle NUK-Jahr sind zwei weitere Foren geplant, das nächste aus dem Bereich „Marketing“ findet am 16. März in Düsseldorf statt.

Herzlichen Dank an die Wirtschaftsförderung Bonn und das Forschungszentrum caesar für die freundliche Unterstützung des Abends!

Die Präsentationen zu allen Vorträgen des NUK-Forums „Innovation“ vom 19. Januar 2010 finden registrierte Nutzer im Download-Bereich.


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