9. April 2014

„Wir haben niemals an einen Exit gedacht“

Im Jahr 2000 haben die Gründer von Sedo am NUK-Businessplan-Wettbewerb teilgenommen. Die Gutachter waren von der Idee des Teams nicht überzeugt- hatten aber trotzdem gute und wertvolle Hinweise. Über die Jahre wuchs Sedo zu einem der größten Unternehmen, die je am Wettbewerb teilgenommen haben. Mitgründer Tim Schumacher ist inzwischen wieder in der Start-up-Szene aktiv. Im Interview verrät er, was ihn daran reizt.

Tim Schumacher unterstützt junge Start-ups

Tim Schumacher unterstützt junge Start-ups

 

Die Teilnahme am NUK-Wettbewerb ist schon 15 Jahre her. Woran kannst du dich noch erinnern?

Ich hab erst kürzlich alte Unterlagen ausgemistet und dabei die NUK-Gutachten wiedergefunden. Die Experten waren damals von uns als Team begeistert – allerdings hat sie unsere Idee überhaupt nicht überzeugt. Sie fanden es rechtlich kritisch und hielten ein Internet-Start-Up nach dem Platzen der Blase auch nicht gerade für besonders passend. Wir waren auch nie für einen der Preise nominiert. Dann haben wir glaube ich eines der größten Unternehmen gegründet, die je aus dem Wettbewerb hervorgegangen sind.
Gründern, die wirklich an ihre Idee glauben, rate ich immer ihr Ding durchzuziehen. Das heißt ja nicht, dass man das Feedback nicht trotzdem annehmen kann. Wir haben ja auch konstruktive Kritik bekommen und mussten an einigen Stellen wirklich nachbessern.

Haben euch die Gutachten nicht frustriert?

Nein. Als Gründer braucht man ein dickes Fell. Insofern war das eine gute Schule.

Für alle, die Sedo nicht kennen – was genau war eure Gründungsidee?

Sedo ist eine Börse für Domains, die man kaufen und verkaufen kann. Wir hatten damals Internetprojekte für die wir nicht die richtigen Domains fanden und wir hatten Domains rumliegen, die wir nicht brauchten – dafür gab es damals keinen Marktplatz. Das war dann unsere Idee. Am Anfang war das ein recht simpler Kleinanzeigenmarkt, mit der Zeit wurde das immer komplexer. Entscheidend war aber etwas anderes – wir haben mit der Werbevermarktung von Domains begonnen. Während wir eine Domain angeboten haben, hatten wir ja schon Traffic drauf und den wollten wir nicht vergeuden. Deshalb haben wir auf den ungenutzten Seiten Werbung geschaltet. Das hat den entscheidenden Schub gegeben. Zwischenzeitlich kamen 80 Prozent der Umsätze daher. Das ist zwar schwächer geworden, war aber der entscheidende Wachstumstreiber. Insofern muss man den Gutachtern im Nachhinein auch Recht geben – es hätte damals viele bessere Ideen gegeben als nur den Domainhandel.

Habt ihr damit gerechnet, dass Sedo mal so groß wird?

Wir wollten das natürlich groß machen – aber wir hatten am Anfang keine Vorstellung. Wir hatten keinen Bezug dazu, was es bedeuten würde. Bei unserer Gründung haben wir auch niemals an einen Exit gedacht. Das finde ich bis heute wichtig. Man sollte eine Sache ihrer selbst wegen machen. Das würde ich auch jedem Gründer raten. Für mich ist es absolut negativ, wenn jemand beim ersten Pitch schon von „Exit-Kandidaten“ spricht.

Vom Gründer zum Kopf eines großen Unternehmens – war das eine schwierige Umstellung?

Das vollzieht sich ja nicht über Nacht, man wächst da rein. Es ist ein langsamer Prozess über viele Jahre. Am Anfang habe ich gar nicht gemerkt, dass ich immer weniger selbst gemacht habe und stattdessen immer mehr Zeit mit Reden und Überzeugen verbrachte.
Der größere Kulturschock war eigentlich, als ich von Sedo wieder in die Start-up-Szene gewechselt bin. Da merkt man, dass es für bestimmte Sachen einfach keine Infrastruktur gibt. Oft ist das total cool, weil man Sachen wieder selber machen kann. Ich muss nicht irgendwelche Prozesse beachten. Bei Sedo war es auch so, dass es gleich eine Bedeutung für den Markt hatte, wenn du irgendwas verändert hast. Als Start-up wuselst du zwei Jahre rum und es interessiert kein Schwein. Das ist schon auch ein bisschen frustrierend, wenn man das zum zweiten Mal macht.

Was sind die spannenden Momente in der Entwicklung eines Unternehmens?

Es gibt viele spannende Momente. Jedes Teilchen, was einen weiterbringt, ist irgendwie spannend. Die erste Finanzierungsrunde, das erste Vorstellungsgespräch, der erste eigene Mitarbeiter… Auch der Exit im Verkaufsfall ist ein aufregendes Ereignis.

2011 hast du Sedo verlassen – was kam danach?

Erstmal habe ich ein paar Monate entspannt, bin gereist. Noch während meiner Zeit bei Sedo hab ich ein paar passive Angel-Beteiligungen gemacht, allerdings konnte ich mich zeitlich da nur begrenzt drum kümmern. Nach dem Ausstieg habe ich angefangen, in verschiedene Projekte zu investieren und hab mit der Zeit gemerkt, bei welchen Start-ups es mir Spaß macht und bei welchen nicht. In diesem Modus bin ich seit gut einem Jahr. Bei manchen Unternehmen arbeite ich mit, andere sehe ich vielleicht viermal im Jahr. Da sehe ich mir die Reports an und mehr auch nicht. Diese Teams laufen praktisch ganz autark, da würde ich im Zweifel nur was kaputt machen. Bislang gab es aber keine Tätigkeit, bei der ich wieder voll im Unternehmen war.

Thematisch bleibst du dir treu?

Ja. Ich hab zwar drei Investments gemacht, die aus einem ganz anderen Bereich stammten. Aber dort habe ich dann nicht unbedingt die Zeit, mich einzuarbeiten und dann bringe ich natürlich auch nur einen begrenzten Mehrwert. Klar kann ich bei allgemeinen Themen – also rund um das Wachstum eines Unternehmens – immer helfen. Aber um sinnvoll einzusteigen, muss man ein Unternehmen schon richtig verstehen. Letzten Endes sind ja auch Internet- und IT-Themen ein weites Feld. Ich merke, dass ich hier für B2B-Themen nicht so empfänglich bin wie für Konsumententhemen oder auch für Online-Marktplätze.

Und wie findest du die Start-ups, in die du einsteigst?

Viele kommen einfach auf mich zu. Start-ups sprechen ja auch miteinander. Man ist dann irgendwann auf der Liste drauf. Ganz anders war es bei AdblockPlus.org. Bei Sedo haben wir ja auch Werbung geschaltet. An den Statistiken konnten wir sehen, dass ein bestimmter Teil der Werbeaufrufe sozusagen ‚gefressen‘ wurde. Ursache dafür waren Werbeblocker. Wir haben dann rausgefunden, dass der größte Anbieter einer solchen Adblock ein junger Entwickler aus Köln war. Ihn habe ich dann bald getroffen – heute arbeiten wir gemeinsam in und an einem Unternehmen.

Du bist nicht nur als Business-Angel aktiv, sondern NUK unter anderem als Gutachter treu geblieben. Warum?

Zum einen möchte ich ein bisschen was zurückgeben. Zum anderen macht es auch Spaß. Man guckt sich Konzepte an und gibt seinen Senf dazu. Ich empfehle auch allen Gründern, am NUK-Wettbewerb teilzunehmen. Dort finden sie kostenlose Sparringspartner in einem strukturierten Prozess. Das ist sehr sinnvoll.


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